Aufgriffsrechte in Gesellschaftsverträgen ermöglichen es den Gesellschaftern die Übertragung eines Geschäftsanteils gegen Bezahlung eines Aufgriffspreises zu verlangen. Während das Oberlandesgericht Linz (OLG Linz) zuletzt ein Aufgriffsrecht im Insolvenzfall eines GmbH-Gesellschafters für unzulässig erklärte, entschied der Oberste Gerichtshof (OGH) jüngst anders.
Vorkaufsrecht oder Aufgriffsrecht?
In Gesellschaftsverträgen können sowohl Vorkaufsrechte als auch Aufgriffsrechte vereinbart werden. Beide Rechte verfolgen grundsätzlich den Zweck, einen bestimmten Gesellschafterkreis abzusichern und die Zusammenarbeit mit (möglicherweise unerwünschten) Dritten zu verhindern. Worin liegt der Unterschied?
Ein Vorkaufsrecht wird nur dann schlagend, wenn ein Gesellschafter seine Geschäftsanteile verkaufen möchte. In einem solchen Fall muss der verkaufswillige Gesellschafter seine übrigen Mitgesellschafter zunächst fragen, ob diese seinen Geschäftsanteil zu jenen Konditionen kaufen wollen, die er zuvor mit einem Dritten vereinbart hat. Erst wenn die Mitgesellschafter dieses Angebot ablehnen, ist der verkaufswillige Gesellschafter berechtigt, seinen Geschäftsanteil an einen Dritten zu verkaufen.
Während ein Vorkaufsrecht also nur dann zu berücksichtigen ist, wenn der Gesellschafter seinen Geschäftsanteil verkaufen möchte, ist ein Verkaufswille beim Aufgriffsrecht nicht unbedingt erforderlich. Bei einem Aufgriffsrecht werden im Gesellschaftsvertrag bestimmte Tatbestände vereinbart. Tritt ein solcher Tatbestand ein, kann die Übertragung des Geschäftsanteils eines Mitgesellschafters zu einem bestimmten Preis verlangt werden. Als Tatbestände werden häufig etwa das Ableben des Gesellschafters, dessen Geschäftsunfähigkeit sowie dessen Ausscheiden als Gesellschafter vereinbart. Der Aufgriffspreis wird in aller Regel durch ein im Gesellschaftsvertrag vereinbartes Berechnungsmodell ermittelt.
Zum Aufgriffsrecht in der Insolvenz eines Gesellschafters
Von besonderer Bedeutung für die Gesellschafter ist ein Aufgriffsrecht im Falle einer Insolvenz eines Gesellschafters. Die übrigen Gesellschafter können damit verhindern, dass ein Insolvenzverwalter den Geschäftsanteil des insolventen Gesellschafters versteigert und so ein möglicherweise unerwünschter Dritter Mitgesellschafter der Gesellschaft wird. Das OLG Linz vertrat in seiner Entscheidung zu 6 R 95/19m die Rechtsansicht, dass Aufgriffsrechte für den Fall einer Insolvenz eines GmbH-Gesellschafters per se unzulässig sind. Diese Entscheidung führte dazu, dass seitdem im Sprengel des OLG Linz keine derartigen Aufgriffsrechte in Gesellschaftsverträgen akzeptiert wurden.
Zur Judikaturwende durch den OGH
In einem erst kürzlich ergangenen Beschluss entschied der OGH (6 Ob 64/20k) nun anders. Der OGH erkannte, dass Aufgriffsrechte für den Fall der Insolvenz eines GmbH-Gesellschafters grundsätzlich zulässig sind. Das Unter-sich-bleiben sei ein legitimes Interesse der GmbH-Gesellschafter.
Eine Einschränkung gibt es aber dennoch: Bis zur Entscheidung des OLG Linz war es durchaus üblich, für unterschiedliche Aufgriffstatbestände unterschiedliche Aufgriffspreise zu vereinbaren. Nach der Rechtsansicht des OGH sind Aufgriffsrechte nunmehr unter dem Gesichtspunkt des Gläubigerschutzes nur dann zulässig, wenn für alle Fälle des freiwilligen Ausscheidens und des Ablebens einerseits sowie der Exekution und Insolvenz andererseits der gleiche Aufgriffspreis vereinbart wird.
Für die Fälle des Aufgriffsrechts bei Exekution und Insolvenz des Gesellschafters hat der OGH zudem eine weitere Einschränkung gefordert: Die Vereinbarung eines Aufgriffspreises unter dem Verkehrswert des Geschäftsanteils ist diesfalls nur dann zulässig, wenn die Vereinbarung für jede Konstellation des freiwilligen (z.B.: Anteilsübertragung) und des unfreiwilligen Ausscheidens (z.B.: Tod, Exekution, Insolvenz) des Gesellschafters getroffen wird. Bei der Vereinbarung eines Aufgriffspreises unter dem Verkehrswert ist darüber hinaus die Grenze zur Sittenwidrigkeit zu beachten. Zur Frage, ab wann die Grenze der Sittenwidrigkeit erreicht ist, nahm der OGH jedoch leider nicht Stellung. Stimmen aus der Literatur erachten einen Abschlag in Höhe von 20 % als noch nicht sittenwidrig. Besonders hohe Abschläge (etwa 50 % und mehr) können unseres Erachtens nicht vereinbart werden.
Was ist die Folge?
Nach der klarstellenden Entscheidung des OGH können nun auch im Sprengel des OLG Linz unter Berücksichtigung der oben dargestellten Schranken wieder Aufgriffsrechte für den Fall der Insolvenz eines Gesellschafters in Gesellschaftsverträgen vereinbart werden. Bestehende Gesellschaftsverträge sollten in Hinblick auf die neue Rechtsprechung überprüft und erforderlichenfalls angepasst werden.