Mit 01.09.2021 sind die Novellen des oberösterreichischen Baurechts in Kraft getreten. Die Änderungen der Oö Bauordnung und des Oö Bautechnikgesetzes bringen den Bürgern endlich mehr Rechtssicherheit und eine teilweise Entbürokratisierung. Gleichzeitig tragen die Bürger jedoch in der Zukunft mehr Eigenverantwortung. Im Folgenden finden Sie einen kurzen Überblick über die wichtigsten Neuerungen:
Neue Rechtssicherheit bei mindestens 40 Jahre lang bestehenden Bauten
Bislang drohte den Bürgen schon bei minimalen Bauabweichungen vom genehmigten Plan ein Abrissbescheid. Konnte nämlich die Baubehörde etwa bei einer geringfügigen Verletzung von Abstandsbestimmungen zum Nachbargrundstück keine nachträgliche Genehmigung erteilen, war die Baubehörde gezwungen, einen (teilweisen) Abrissbescheid zu erlassen. § 49a Oö Bauordnung soll derart existenzbedrohende Situationen zukünftig zumindest teilweise verhindern.
§ 49a Oö Bauordnung setzt sich zum Ziel, dass bei bestehenden Gebäuden im Bauland, bei bestehenden Gebäuden im Grünland (sogenannte „Sternchenbauten“) und bei landwirtschaftlichen Gebäuden im Hofbereich Abweichungen von der ursprünglichen Baubewilligung rechtlich saniert werden können. Dies gilt sowohl für bautechnische Abweichungen als auch für Abweichungen in Bezug auf die Gebäudenutzung. Die Abweichung gilt dann als saniert, wenn die Abweichung 40 Jahre lang unbeanstandet geblieben ist.
Die Möglichkeit zur Sanierung von Abweichungen besteht nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes und den dazugehörigen Materialien nur für jene Bauten, für die ursprünglich eine Baubewilligung erteilt wurde oder ein Baukonsens vermutet werden kann. Auf sogenannte „Schwarzbauten“ kommt der neue § 49a Oö Bauordnung daher nicht zur Anwendung
Der rechtmäßige Bestand des Gebäudes wird auf Antrag des Liegenschaftseigentümers oder des Bauberechtigten mit Bescheid festgestellt. Nachbarn haben wie bei einem Baubewilligungsverfahren Parteistellung und können Einwendungen erheben.
Wird der rechtmäßige Bestand im Sinne des neuen § 49a Oö Bauordnung festgestellt, ist die Weiterbenützung des Gebäudes zulässig und der drohende Abriss vom Tisch.
Ausweitung der bewilligungs- und anzeigefreien Bauvorhaben
Auch bisher war für die Ausführung einzelner Bauvorhaben weder eine Baubewilligung noch eine Bauanzeige erforderlich. Dies galt etwa für den Einbau von Sanitärräumen oder für kleinere Innenausbauten, für die Errichtung von Stützmauern bis zu einer Höhe von 1,5 Metern oder für den Bau von Schwimmbecken bis zu einer Tiefe von 1,5 Metern und einer Fläche von 35 m2.
Mit 01.09.2021 wurde der Katalog der bewilligungs- und anzeigefreien Bauvorhaben ausgeweitet. Für die Errichtung von Schwimmbecken bis zu einer Fläche von 50 m2, Gartenhütten und Schutzdächern (jeweils nur im Bauland) bis zu einer Größe von 15 m2 und für Ladestationen für Elektrofahrzeuge ist nunmehr keine Bauanzeige mehr erforderlich.
Für den Bürger fallen mit diesen Änderungen die oft mühsamen Behördengänge weg. Ungeachtet dessen müssen die sonstigen Bestimmungen des Baurechts, wie etwa die Abstands- und Brandschutzbestimmungen, berücksichtigt werden. Die Überprüfung des beabsichtigten Baus durch einen Rechtsanwalt oder Bausachverständigen empfiehlt sich daher dennoch.
Weitere Erleichterungen
Die Novellen im Oö Baurecht nehmen darüber hinaus Rücksicht auf die Erfordernisse der Praxis. So fällt beispielsweise die Anbringung von Wärmedämmungen zukünftig nicht mehr unter den Begriff des „Zubaus“. Damit fällt auch die bisherige Bewilligungs- oder Anzeigepflicht für nachträglich angebrachte Wärmedämmungen weg, weiters geltend auch die Abstandsbestimmungen zu den Grundgrenzen nicht.
Ferner wird der Baubehörde die Möglichkeit eingeräumt, nicht mehr zeitgemäße Auflagen aus bereits erlassenen und rechtskräftigen Baubescheiden zu entfernen oder abzuändern. Ist beispielsweise das in alten Baubewilligungsbescheiden häufig vorgesehene Verbot von E-Ladestationen bei Tiefgaragen aufgrund neuerer und sicherer Technologien nicht mehr gerechtfertigt, kann die Behörde diese Auflage auf Antrag nachträglich aufheben.
Sofern Sie zu den Änderungen des Oö Baurechts bzw. zu generellen baurechtlichen Angelegenheiten Fragen haben, stehen wir Ihnen jederzeit gerne zur Verfügung. Unsere diesbezügliche Beratungspraxis umfasst neben dem öffentlich-rechtlichen Baurecht auch die damit verbundenen zivilrechtlichen Themen.