Seit 01.04.2012 unterliegen sämtliche Gewinne aus der Veräußerung von Grundstücken der Immobilienertragsteuer. Als Grundstücke gelten dabei Grund und Boden, Gebäude inkl. Eigentumswohnungen und grundstücksgleiche Rechte (zB Baurechte). Die Höhe der zu zahlenden Immobilienertragsteuer hängt dabei davon ab, ob es sich um ein sogenanntes „Alt-Grundstück“ oder „Neu-Grundstück“ handelt. Das Gesetz kennt aber auch diverse Befreiungsbestimmungen, unter anderem die Hauptwohnsitzbefreiung, die nachstehend näher beleuchtet wird.
Allgemeines
Gemäß § 30 Abs 2 Z 1 Einkommensteuergesetz (EStG) ist die Veräußerung der Immobilie dann steuerfrei, wenn sie dem Veräußerer
a) ab der Anschaffung oder Herstellung (Fertigstellung) bis zur Veräußerung für mindestens zwei Jahre durchgehend als Hauptwohnsitz gedient hat und der Hauptwohnsitz aufgegeben wird oder
b) innerhalb der letzten zehn Jahre vor der Veräußerung mindestens fünf Jahre durchgehend als Hauptwohnsitz gedient hat und der Hauptwohnsitz aufgegeben wird.
In der Praxis kommt es immer wieder vor, dass zwar die in § 30 Abs 2 Z 1 EStG geforderten Fristen von zwei oder fünf Jahren eingehalten werden, der Hauptwohnsitz aber aus den unterschiedlichsten Gründen nicht (sogleich) aufgegeben wird.
Zur Aufgabe des Hauptwohnsitzes
Eine konkrete Frist, binnen derer der Hauptwohnsitz aufzugeben ist, hat der Gesetzgeber nicht vorgesehen. Nach den Erläuterungen zur Regierungsvorlage war die Hauptwohnsitzbefreiung aber grundsätzlich dazu gedacht, dass der Verkäufer den Veräußerungserlös aus dem Verkauf des Hauptwohnsitzes ungeschmälert zur Anschaffung eines neuen Hauptwohnsitzes zur Verfügung haben soll. Die Schaffung eines neuen Hauptwohnsitzes kann durch Anmietung (und Ausstattung) einer Wohnung, durch Erwerb eines bezugsfertigen Eigenheims bzw. einer Eigentumswohnung oder auch durch den Erwerb einer Liegenschaft, dies mit der Absicht darauf ein Eigenheim zu errichten, erfolgen.
Auch die Gerichte gehen davon aus, dass es keine explizite Frist gibt, binnen derer der Hauptwohnsitz nach der Veräußerung aufzugeben ist. Es muss nach deren Auffassung vielmehr der zeitliche und sachliche Zusammenhang berücksichtigt werden.
Das Bundesfinanzgericht (BFG) hat in seiner Entscheidung zu RV/6100390/2020 erkannt, dass die Hauptwohnsitzbefreiung auch dann in Anspruch genommen werden kann, wenn zwischen dem Käufer und dem Verkäufer nach dem Verkauf der Immobilie ein auf drei Jahre befristeter Mietvertrag mit einem einjährigen Kündigungsverzicht abgeschlossen wird. Im gegenständlichen Fall konnte der Verkäufer und spätere Mieter nämlich nachweisen, dass er sich bemühte, eine neue Wohnung zu passenden Konditionen zu finden, und dass der Mietvertrag nur als Übergangslösung anzusehen ist.
Auch der VwGH hat beispielsweise in seiner Entscheidung Ro 2015/15/0006 zur Aufgabe des Hauptwohnsitzes bereits Stellung genommen. Dabei hat er explizit festgehalten, dass die Zeit zur Aufgabe des Hauptwohnsitzes durchaus auch ein Jahr übersteigen kann, wenn die Anschaffung des neuen Hauptwohnsitzes eine längere Zeit in Anspruch nimmt.
Schlussfolgerung
Auch wenn die Gerichte dem Verkäufer einen gewissen Spielraum für die Aufgabe des Hauptwohnsitzes einräumen, empfiehlt es sich aus (steuer-) rechtlicher Hinsicht, diesen Spielraum so wenig wie möglich auszunutzen. Wer allzu lange mit der Aufgabe des Hauptwohnsitzes zuwartet und den zeitlichen und sachlichen Zusammenhang zum Verkauf nicht mehr nachweisen kann, muss mit einer empfindlichen Nachzahlung der Immobilienertragsteuer rechnen.